Die Paartherapie

Dass Paare sich nicht mehr miteinander verstehen, obwohl sich einst sehr geliebt haben, klingt zunächst wenig plausibel. Kann es mehr Hochstimmung und Opferbereitschaft geben, wenn man verliebt ist?

Paradoxerweise ist dies genau das Problem. In der Liebe begegnet man sich im buchstäblichen wie auch im übertragenen Sinne nackt. In keiner menschlichen Situation ist man mehr verletzbar als in der liebenden Hinwendung zum Partner/zur Partnerin. In früheren Zeiten wurden diese Konflikte eher unterdrückt oder verdeckt. Eine Scheidung galt als Makel, sodass die Zerrüttung von Ehen und Partnerschaften häufig geheim gehalten wurde. Heute werden Paarkonflikte offener ausgetragen. Eine Trennung oder Scheidung wird nicht mehr als so beschämend erlebt wie zu früheren Zeiten. Dies ist vor allem 5 Gründen zu verdanken, die miteinander in Zusammenhang stehen:

  • Durch die Tatsache, dass viele Frauen mittlerweile eigene Berufe haben oder zumindest auf eigene Berufstätigkeit zurückgreifen können, um vom Partner finanziell unabhängig zu sein. Die Arbeitswelt, die Karriere sind gegenläufige Kräfte, die das Liebesleben einschränken.
  • Durch die Entstehung der modernen inselartig isolierten Kleinfamilie ohne Kind oder mit ein maximal zwei Kindern. Der damit verbundene Funktionsverlust macht es notwendig, externe Ressourcen zur Daseinsvorsorge und zur Bewältigung des Alltags zu beanspruchen.
  • Dem wird heutzutage weitgehend Rechnung getragen, dass Betreuungsmöglichkeiten, vielfältige Formen der Unterstützung und Beratung für Säuglinge und Kleinkinder, für Schulkinder erheblich verbessert wurden. Daher sind Paare kaum noch durch äußere Zwänge zum weiteren Zusammenleben genötigt.
  • Der Rückgang der religiösen Bindung. Hierbei spielt die Vorstellung einer Wertegemeinschaft eine Rolle. Dies wirkt als stabilisierendes Moment, während Gefühle Schwankungen unterworfen sind.
  • Die Liberalisierung der Möglichkeiten sexueller Befriedigung. Neben den traditionellen „Sex-Märkten“ tun sich im Zeitalter der Digitalisierung nahezu unbegrenzt erscheinende Möglichkeiten auf, geeignete Sexualpartner zu finden.

Daher sind Zweierbeziehungen emotional entsprechend aufgeheizt mit Wünschen und Sehnsüchten. Entsprechend hoch ist das Risiko der Enttäuschung geworden. Die moderne Liebesbeziehung ist nicht nur überhitzt, sondern auch überlastet, weil nicht nur die Liebe auf der Tagesordnung steht, sondern auch der Wunsch nach wechselseitiger solidarischer Unterstützung. Die Frage von Fairness und Gerechtigkeit bzw. die Frage, ob die „Opfer“, die jeder der Partner in die Beziehung einbringt, gleichwertig sind, spielt daher eine bedeutsame Rolle. Gefühle und speziell die sexuelle Intimität auch in einer grundsätzlich liebevollen Beziehung sind starken Schwankungen unterworfen, sodass Krisen nahezu unvermeidbar sind. Nicht nur im Beruf, sondern auch im Bereich der Sexualität spielt das Ideal der Selbstverwirklichung eine große Rolle. Und diese Frage ist überlagert von der Sinnfrage, wenn der Alltag reizlos und sinnentleert zu sein scheint. Was mache ich hier eigentlich in dieser Beziehung? Tut sie mir noch gut? Vielfach wird der gesamtes Sinn des Lebens von einer geglückten Liebesbeziehung abhängig gemacht.

Eine bekannte Folge des beschriebenen Sachverhaltes ist, dass die Rate der Scheidungen speziell in den Großstädten erheblich angestiegen ist. Auch Krisen in der Partnerschaft werden einschneidender, ja existenzieller erlebt. Zwar wussten auch frühere Paare, dass fast alle Liebesbeziehungen auch Krisen durchleiden müssen. Dies verrät sich in dem alten Sprichwort „das verflixte siebte Jahr“. In modernen Liebesbeziehungen können Krisen in den unterschiedlichsten Entwicklungsphasen der Liebesbeziehung auftreten: wenige Wochen nach dem Kennenlernen, nach längeren Jahren, in denen die Liebe veralltäglicht, zur Gewohnheit wurde und reizlos geworden ist, oder wenn die Kinder erwachsen sind und ihre eigene Wege gehen.

Die Symptome einer Partnerschaft mit unbewältigten Beziehungskonflikten sind zahllos: endloser Streit, entnervende Langweile, psychosomatische Krankheit, Drogenmissbrauch, partnerschaftliche Untreue. Die gemeinsame Nenner dieser verschiedenen Symptome ist die Tatsache, dass der lebendige Austausch in einer liebevollen Beziehung in eine Stagnation geraten ist.


Wie „funktioniert“ eine psychoanalytisch orientierte Paartherapie? Was ist deren Besonderheit im Vergleich zu den übrigen Angeboten auf dem Markt der Paarberatung? Welches ist der wesentliche Unterschied zu einer Einzeltherapie? Die Partner kommen von Anfang an zu zweit. Ein Paartherapeut hat nicht zwei Patienten vor sich, sondern die Beziehung zwischen zwei Liebenden, die sich mittlerweile entfremdet haben. In der Position eines neutralen Außenstehenden verkörpert er die Hoffnung des Paares, durch klugen Rat die verloren gegangene Liebe wieder neu zu finden. Paartherapeuten sind gewissermaßen nicht Dialogpartner wie in der Einzeltherapie, sondern Dialogermöglicher. Sie fragen sich, warum das Liebespaar im in ihrem Gesprächen die Möglichkeit der Bewältigung aktueller Konflikte verloren hat.

Die psychoanalytische Paartherapie fragt, auf welchem unbewussten Fundament die Liebesbeziehung entstanden ist und inwieweit die unverarbeiteten Themen und Konflikte der jeweiligen Kindheit in der jeweiligen Herkunftsfamilien dabei hineinspielen. Die Geschichte der Liebesbeziehung zeigt regelmäßig, dass im Laufe der Jahre wechselseitig vermehrt unbewusste Kindheitsängste in den emotionalen Dialog eingeblendet werden und dann zu Kommunikationsstörungen und Entfremdungen führen. Im Kern sind es in erster Linie sexuelle Ängste und Konflikte. Sexualität ist hier nicht nur in engeren Sinne verstanden als Bereich körperlicher intimer Begegnungen, sondern auch im weiteren Sinne des vertrauensvollen Austauschs über alles und jedes. Ein sicheres Zeichen eines unbewusst gesteuerten Paarkonfliktes ist, wenn Gespräche auf der Stelle treten und dennoch die wechselseitigen Missverständnisse bleiben.

Wesentliche Themen in der psychoanalytischen Paartherapie sind mithin die unbewussten Grundlagen der Paarbeziehung, die Kindheitsängste im Laufe der Jahre unbewusst eingeblendeten sowie die Reflexion und Aufarbeitung der eigenen Verstrickung in die Herkunftsfamilie, die dort erfahrenen Vereinnahmungen, Ausstoßungen und Traumatisierungen.
Da der Therapeut nur den Dialog des Paares in ihrem Alltag erleichtern, verflüssigen, anreichern möchte, um die benötigte Wirkung zu erzielen, ist der Zeitaufwand für die Paartherapie geringer als in der Einzeltherapie. Im Durchschnitt behandle ich Paare jeweils eine Sitzung alle 14 Tage und insgesamt ca. zehn Sitzungen.